Warum Riester & Co. für die Generation Y nichts taugen

Wer heute jung ist, der ist im Laufe seines Lebens mal angestellt, mal selbständig, mal im Sabbatical oder arbeitet irgendwo auf der Welt. Hoffentlich hat er keinen Riester-Vertrag in seinem Vorsorge-Portfolio!

Vielfältige Erwerbsbiographien sind völlig normal für die sogenannte Generation Y, die Generation der 1977-1998 Geborenen. Was so manch Älterem die existenziellen Sorgenfalten ins Gesicht treibt, sieht diese Generation als die große Chance an, ein erfülltes Leben zu leben. Dass das Geld dabei überhaupt keine Rolle spielt, ist schlichtweg falsch. Denn Sabbatical inklusive Weltreise will ja schließlich auch bezahlt werden. Allerdings geht es weniger um die reine Anhäufung von Statussymbolen als darum, sich gewisse Freiheiten zu ermöglichen.

Freiheit bedeutet für mich, nicht schon mit Mitte zwanzig Vorsorgeverträge mit 40-jähriger Laufzeit abzuschließen.

Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht:

Ich gehöre vom Alter her – glaubt man den Angaben bei Wikipedia – gerade eben noch so zur Generation Y. Auch wenn ich in dieser Gruppe schon eher den Senior darstelle: Mit den Wertvorstellungen – zumindest per Definition – kann ich mich größtenteils identifizieren. Auch ich möchte in meinem Leben etwas Sinnvolles machen. Auch mein Lebensziel ist nicht auf Teufel komm raus vom Ideal geprägt, 40 Jahre für ein und dasselbe Unternehmen zu arbeiten. Das sind nur zwei der Gründe dafür, dass ich sehr bald mein eigenes Projekt starte.

Bis hierher zu kommen war ein langer Weg. Schon letztes Jahr habe ich meinen festen Job gekündigt (mehr dazu hier) und mich in die Vorbereitungen für ANYONECAN.DE gestürzt. Mit der Gründung hat sich mein Status geändert. Ich bin jetzt nicht mehr angestellt beschäftigt, sondern selbständig und muss – bzw. darf glücklicherweise – alles, was mit der sozialen Absicherung zu tun hat, selbst in die Hand nehmen. Da gibt es viel zu bedenken, und auch für mich kommt da die ein oder andere Tretmine hoch.

Ich habe eine Altlast in meinem Vorsorge-Portfolio: einen Riester-Vertrag! Denkbar ungeeignet für mich als jetzt Selbständigen!

Aber von vorne: Den Riester-Vertrag habe ich mir vor gut acht Jahren mal andrehen lassen – zu einem Zeitpunkt, als ich gerade angefangen habe, mich näher mit diesen ganzen Themen zu beschäftigen. „Bedenken Sie den Steuervorteil und die staatliche Förderung“ – das war damals das Argument, was gezogen hat. Schließlich kann man die jährlichen Beiträge von der Steuer absetzen und bekommt on top noch ein paar Euro vom Staat dazu. Vorab sei schon mal gesagt:

Steuervorteil und staatliche Förderung sollten niemals die einzigen Argumente FÜR ein Vorsorgeprodukt sein.

Ein Vorsorgeprodukt sollte vor allem gute Renditen abwerfen. Wenn dann on top noch steuerlich was zu machen ist – ok!

Nun also zu meinem Fall: ich zahle seit gut acht Jahren in diesen Vertrag ein. Insgesamt habe ich bis Ende letzten Jahres schon 16.275 Euro einbezahlt. Angesammelt haben sich bis dahin allerdings gerade mal 14.827,13 Euro. Wie bitte? Meine Beiträge sollten ja eigentlich schon die ganzen Jahre gut angelegt sein und wiederum Erträge erwirtschaften. Schließlich haben sich die Kapitalmärkte gerade in den letzten Jahren gut entwickelt. Daran kann es also nicht liegen. Wo ist das ganze Geld dann hin?

In den ersten Jahren geht ein großer Teil der Beiträge vor allem für Provisionen drauf.

Der gesamt Vertriebsapparat der Versicherung hat also kräftig mitverdient – unter anderem der nette Finanzvertriebler, der sie mir mal verkauft hat (der ist übrigens tatsächlich ganz nett ;-)).
Ich würde schätzen, dass mein angehäuftes Kapital nochmal ca. zwei bis vier Jahre „arbeiten muss“ bis ich überhaupt auf den Wert komme, den ich bis dahin dann insgesamt eingezahlt habe. Dann sind – was die Rendite betrifft – die ersten 10-12 Jahre meines Vertrages verlorene Jahre. Gerade die ersten Jahre sind aber entscheidend für die langfristige Performance einer Anlage. Denn je früher man anfängt und je besser die Rendite in den ersten Jahren, desto höher der positive Effekt des Zinseszinses nach hinten raus.

Damit aber nicht genug! Nun ist es ja so, dass ich mich gerade selbständig mache. Als Selbständiger (zumindest als Single) kann ich nun meine Beiträge für meinen Riester-Vertrag NICHT mehr von der Steuer absetzen. Auch bekomme ich KEINE staatliche Förderung mehr – was immerhin auch 154 Euro pro Jahr ausgemacht hat.

Der große Vorteil also, den die steuerliche Absetzbarkeit und die staatliche Förderung für mich bringen sollten, ist dahin.

Ich könnte meinen Vertrag jetzt aussetzen, das angesammelte Kapital würde dann stehen bleiben und sich weiterhin nur mittelmäßig verzinsen. Obendrauf müsste ich noch eine jährliche Gebühr für die Stilllegung zahlen. Die dicken Provisionen an den Vertrieb – und die ja eigentlich für einen Vertrag von knapp 40 Jahren kalkuliert waren – die sind natürlich futsch.

Nun würde der geschäftstüchtige Finanzvertriebler in meinem Fall mit einem anderen Produkt um die Ecke kommen: der Rürup-Rente – praktisch das Pendant zu Riester – nur in diesem Fall für Selbständige. Alles – nur bitte nicht das!! Damit würde ich einen neuen Vertrag abschließen, wieder den Vertriebsapparat reich machen und hätte unter Umständen in wenigen Jahren noch so eine Leiche in meinem Vorsorge-Portfolio. Weiß ich denn jetzt, ob ich nicht vielleicht in ein paar Jahren doch wieder angestellt arbeite? Oder ob ich mir vielleicht überlege, einen Job im Ausland anzunehmen? In letzterem Fall wäre es mit der steuerlichen Absetzbarkeit und staatlichen Förderung logischerweise bei beiden Produkten vorbei!

Mir ist es unbegreiflich, wie man in der heutigen Zeit so unflexible Produkte überhaupt noch vertreiben kann. Die Generation Y ist nicht nur eine Erfindung der Medien: Schaue ich mich in meinem Umfeld um, gibt es da kaum noch die klassische Erwerbsbiografie – also 40 Jahre angestellt, vielleicht sogar in ein und demselben Unternehmen.

Ich werde wohl in den sauren Apfel beißen und mir meinen Riester-Vertrag auszahlen lassen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Das allerdings bedeutet für mich: Ich muss für die vergangenen acht Jahre die Förderung und Steuervorteile zurückzahlen. Unterm Strich – ich habe es mal grob hochgerechnet – hätte ich dann einen guten Tausender vernichtet.

Was ich dann mit dem Geld mache? Das erfährst Du sehr bald auf ANYONECAN.DE