Liebe Banken! Vorsicht! Freilaufender Kunde!

Das Geschäftsmodell der klassischen Bankberatung ist endlich. Vor allem junge Kunden nehmen ihre Geldanlage selbst in die Hand.

Mein Bankberater ruft mich nicht mehr an. Ich weiß nicht mal mehr wie er heißt. Das könnte daran liegen, dass ich vielleicht irgendwann einmal geäußert habe, dass ich nicht mehr angerufen werden möchte. Vielleicht bin ich aber auch einfach ein zu kleiner Fisch. Ich habe bei meiner Hauptbank zwar ein bisschen was rumliegen – aber:

Das ist ja das Schöne an Geld bzw. Vermögen: Seine Höhe ist immer relativ!

Es könnte aber auch daran liegen, dass er sich mein Anlageverhalten angeschaut hat. Dann sieht er, dass ich mich in regelmäßigen Abständen um mein kleines Aktien-Depot kümmere (mein Hobby). Außerdem sollte ihm auffallen, dass jeden Monat die automatischen Abbuchungen für meine Aktien-Sparpläne ausgeführt werden (meine Altersvorsorge).

Ich bespare sogenannte ETFs – Exchange Traded Funds oder auch börsengehandelte Indexfonds genannt. Die Sparpläne hierfür habe ich bei Direktbanken angelegt, die für mich die monatliche Anlage im besten Fall kostenlos – im schlechtesten Fall kostengünstig – automatisch übernehmen.

Mit diesem Anlageverhalten passe ich schlicht und einfach nicht mehr zu der Zielgruppe, für welche die klassische Bank Produkte im Angebot hat und deren aktive Bearbeitung ordentlich Marge bzw. für den Vertrieb auskömmliche Provisionen abwirft.

Damit bin ich nicht allein. Eine Umfrage der FOM Hochschule unter 650 jungen, gut ausgebildeten Berufseinsteigern zwischen 18 und 35 Jahren hat ergeben, dass bereits 60 Prozent ihre Anlageentscheidung ohne professionelle Beratung treffen.

Eigentlich fatal für das Geschäftsmodell Bank – zumindest das Bisherige: Denn für die Banker sind wir eine hochinteressante Zielgruppe. Die Studie der FOM Hochschule hat ergeben, dass knapp die Hälfte der Befragten zwischen 100 und 500 Euro zur Seite legt, ein gutes Drittel sogar mehr als 500 Euro – monatlich!

Auch sind wir es, die noch 30 bis 40 Jahre mit etwas Glück ganz gutes Geld verdienen. Und – Stichwort „Erbengeneration“: Nicht wenige kommen im Laufe ihres Lebens in den Genuss, teilweise nicht unerhebliche Beträge von Oma und Opa, Mama und Papa oder der reichen Großtante zu erben. Mit anderen Worten: da ist richtig Potenzial!

Wir möchten also selbständig und unabhängig agieren. Dafür möchten wir ehrliche und transparente Produkte. Produkte, an denen nicht noch zig Beteiligte mitverdienen.

Auch könnten wir eine sehr pflegeleichte Zielgruppe sein. Denn auf Einzelberatung und Hofieren in der Filiale legen wir keinen Wert. Wir brauchen keine persönliche Beziehung zu unserem Banker, aber ein kompetentes Call-Center bzw. Online-Support.

Und trotzdem ist es uns wichtiger denn je, dass wir uns mit der Bank selbst identifizieren können. Und das geschieht heute nicht mehr über kostspielige Incentive-Veranstaltungen, sondern durch gelebtes Vertrauen. Und gelebtes Vertrauen entsteht durch Transparenz, klare Sprache und eine reine Weste.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass sich im Moment – gefühlt – die Hälfte der Berichterstattung über Banken nur um Gerichtsprozesse und deren Aufarbeitung dreht?

Ganz interessant übrigens auch: eine Studie der Unternehmensberatung Investors Marketing hat ergeben, dass nur noch 35 Prozent der deutschen Kunden ihrem Bankberater trauen. Die Banken allerdings glauben, es seien 77 Prozent! 😉

Einige Banken haben es schon läuten gehört – auch unter Druck gesetzt durch zahlreiche Startups, die in ihr Kompetenzgebiet vordringen. Teilweise gib es zaghafte Versuche einer Neupositionierung. Aber Vorsicht: Wir merken, wenn es nur Fassade ist!

Unser Vertrauen in Banken ist derartig erschüttert, dass es mehr braucht als reine Marketing-Kampagnen mit radelnden Kundenberaterinnen.

Liebe Banken! Bitte macht Euer Angebot transparent, einfach und kundenorientiert!